Hilfe! Haben wir ein Schreibaby?

Da hat man nun neun Monate gewartet, gebangt und gehofft. Sich hundertmal überlegt – wie wird es sein, die Geburt, die ersten Tage und dann die gemeinsame Zeit mit dem neuen Baby? Alles ist gut vorbereitet, das Kinderzimmer schön hergerichtet, Stillkissen und Beistellbettchen sind parat.

Jetzt ist das Baby da! Vielleicht war die Geburt wie erträumt, aber vielleicht lief auch alles völlig anders? Vielleicht kam es zu früh oder war längst fällig und groß und schwer? Vielleicht kam es mit Hilfe einer Saugglocke, eines Kaiserschnittes oder doch ganz angenehm in der Badewanne zur Welt?

Und nun? Alles ist aufregend, alle sind müde und wollen oder sollen eigentlich schlafen. Das Baby sollte doch wenigstens einmal entspannt an der Brust trinken. Aber nein, alles ist anders als erwartet und vieles läuft nicht so wie geplant.

Das Baby weint! Und weint und weint und weint….

Untröstlich! Nichts hilft! Nur wenige Pausen! Manchmal auch lange Pausen und nur in den Abendstunden, manchmal ausdauernd vor dem Einschlafen oder manchmal hauptsächlich in der Nacht!

In den Lehrbüchern findet man zur Definition eines Schreibabys die Dreierregel nach Wessel. Diese besagt: schreit ein Kind über drei Wochen hinweg an mindestens drei Tagen in der Woche und mindestens drei Stunden am Tag, dann hat man, ganz klar, ein Schreibaby!

Schreit mein Kind wirklich so viel oder seltener? Habe ich ein Schreibaby oder stelle ich mich einfach nur an und muss da durch?

Schreibaby per Definition hin oder her. Hat es „nur“ Koliken oder gar sogenannte Regulations- also Anpassungsstörungen? Eigentlich egal, denn das Schreien eines Babys, ob nun kurz oder lang, löst Stressreaktionen bei den Eltern aus, lässt Schweiß auf der Stirn stehen und macht nach einer gewissen, subjektiv gefühlt unendlichen Dauer, mutlos, kraftlos, aggressiv und erschöpft.

Schreit ein Baby exzessiv und langanhaltend versagen in der Regel alle bekannten und herkömmlichen Maßnahmen, wie Tragen, Schaukeln oder Singen. Nicht selten reagieren Eltern in dieser Situation mit innerem Rückzug, Ratlosigkeit und sogar Ablehnung. Verstärkt werden diese Empfindungen zudem durch weitere körperliche Reaktionen des Babys, wie z.B. das Herauswinden aus den Armen der Eltern oder Überstrecken des gesamten kleinen Körpers.

Ist das Baby dann vielleicht einmal ruhig oder gar eingeschlafen, können bereits kleinste Störungen und Geräusche den nächsten Schreianfall auslösen.

Eltern, insbesondere die Mütter, sind in der Regel sofort präsent, wenn ihr Baby weint oder langanhaltend schreit. Der Körper der Mutter reagiert sofort mit Stressreaktionen, die in diesem Fall jedoch gut und sinnvoll und evolutionsbedingt sind. Die Eltern reagieren prompt und gezielt auf die Bedürfnisse des Kindes. Sie sind schnell wach und bei der Stelle, um sich zu kümmern und das Baby zu versorgen und zu schützen. In diesem Fall spricht man auch von einer guten und gewollten Bindungsreaktion.

Bleiben diese Bindungskräfte jedoch ungenutzt und laufen ins Leere und schreit und weint das Baby weiter, dann kostet das dem Körper der Eltern unendlich viel Kraft. Erschöpfung macht sich breit, Enttäuschung und Mutlosigkeit nehmen von Tag zu Tag zu. Diese andauernde Stressbelastung stellt eine Große Gefahr für eine gute Eltern-Kind-Bindung und damit verbunden dem zukünftigen Wohlergehen des Babys dar. Denn sie bildet nicht selten die Grundlage für hochaggressive Impulse dem Baby gegenüber bis hin zu starkem Schütteln und Misshandlungen.

Eltern, die jedoch innerlich gestärkt sind und die aufkommenden Stressreaktionen gut bewältigen können, können in der Regel deutlich länger ein schreiendes Kind ertragen, als Eltern, die diese Ressourcen nicht besitzen.

Wenn Sie viele ungeklärte Fragen haben, sich unsicher im Umgang mit Ihrem Baby fühlen, erschöpft und ausgelaugt sind, manchmal das Baby einfach alleine lassen wollen oder hin und wieder aggressive Impulse fühlen, dann sollten sie umgehend professionelle Hilfe aufsuchen und in Anspruch nehmen. Schützen sie sich und ihr Baby rechtzeitig!